Internationaler Frauentag 2014 - frauenfeindliche Geburtskultur in Deutschland?

 
Liebe Eltern, liebe Großeltern, liebe werdenden Eltern, liebe Interessierte, liebe Kolleginnen und Kollegen,

heute, am Internationalen Frauentag 2014, fragen wir uns, wie es um die Rechte der Frauen in Deutschland steht. Es sieht nicht gut aus, denn in vielen Bereichen gibt es immer noch frauenfeindliche Strukturen. Aktuell geht es um die Geburtskultur und die schleichenden Umwandlungen, die Frauen in ihren Rechten beschneiden. Die Taktik, Geburt zu pathologisieren und den Frauen Unterstützung durch Hebammen in der sensiblen Phase von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett wegzunehmen, wird katastrophale Folgen für unsere Gesellschaft haben. Zu erwarten sind steigende Kosten für die Versorgung rund um die Geburt, höhere Säuglings- und Müttersterblichkeit. Würden Männer Kinder kriegen, hätten wir diese Probleme sicher nicht.

Frauen haben schon lange erkannt: Geburt ist Frauensache. Eine Frau kann sicher gebären, wenn sie weise Frauen hat, die sie dabei freundschaftlich und respektvoll begleiten und - falls gewünscht - anleiten.
Hebamme - allein die Bezeichnung in anderen Sprachen sagt viel über ihre Bedeutung aus:

Französisch: sage-femme - weise Frau
Isländisch: ljósmóðir - Lichtmutter
Spanisch: partera - Partnerin



Um in Ruhe und eigenem Tempo gebären zu können, muss die Frau einen geschützten Raum haben, in dem ihre Privatsphäre gewahrt wird. Frauen wollen selbst gebären und nicht entbunden werden. Unnötige Eingriffe vor und während der Geburt gefährden die Gesundheit von Mutter und Kind. Die Vorteile einer angemessenen medizinischen Versorgung verschwinden, wenn unnötige Eingriffe in den Geburtsverlauf und Kaiserschnitte zur Routine werden.

Wir Trageberaterinnen vom Tragenetzwerk e. V. arbeiten in vielen Bereichen Hand in Hand mit Hebammen. Durch eigene Erfahrungen und die Berichte der Familien, die wir begleiten, wissen wir, wie wertvoll und unersetzlich die Arbeit der Hebammen ist.

Der Erhalt des Hebammenberufs in Deutschland ist ernsthaft bedroht. Seit Jahren verschlechtern sich die Arbeitsbedingungen für Hebammen: viel Arbeit, wenig Geld, gestiegene Kosten. Viele Hebammen haben sich daher in den letzten Jahren aus der Geburtshilfe zurückgezogen. Einige haben ihren Beruf ganz aufgegeben, andere sind nun im Bereich der Vor- und Nachsorge tätig. Laut Hebammenverband üben derzeit 21.000 Hebammen ihren Beruf aus, davon sind 3.500 freiberuflich in der Geburtshilfe tätig.

Aktuell droht eine erneute Erhöhung der Haftpflichtprämie für freiberuflich tätige Hebammen und im Sommer 2015 kann es dann ganz aus sein für Hebammenarbeit in Deutschland. Denn ohne Haftpflichtversicherung dürfen Hebammen nicht arbeiten.

Dies betrifft nicht nur die freiberuflichen Hebammen, die außerklinische Geburten begleiten, sondern die komplette Vorsorge, Nachsorge sowie etwa 1/3 aller Klinikgeburten. Auch angestellte Hebammen müssen sich häufig zusätzlich selbst versichern.

Noch ist gesetzlich festgeschrieben, dass bei jeder Geburt eine Hebamme hinzuzuziehen ist. Wenn Hebammen ab Sommer 2015 nicht mehr arbeiten dürfen, weil sie keine Berufshaftpflichtversicherung mehr haben, ist gebären illegal.

Noch wird uns Frauen durch das Sozialgesetzbuch 5 die freie Wahl des Geburtsortes garantiert. Doch in der Realität haben längst nicht mehr alle Frauen die Wahlfreiheit, wo sie ihre Kinder zur Welt bringen. In ländlichen Gegenden, Kleinstädten und auf Inseln gibt es vielerorts weder Hausgeburtshebammen noch Kliniken mit Kreißsälen.

Hebammenunterstützung bedeutet Einsatz für Frauen und Familien!
Es sind nicht "nur" 21.000 Hebammen betroffen, sondern alle etwa 670.000 pro Jahr frischgebackenen Familien sowie alle 18 Millionen potentiellen Mütter, denen Hebammenhilfe nicht mehr zugänglich sein und deren Selbstbestimmungsrecht über den Geburtsort entzogen werden wird!

Informieren Sie sich, worum es tatsächlich geht. Das Thema ist so kompliziert, dass viele noch nicht verstanden haben, wie viele Menschen wirklich betroffen sein werden.

Die frauenfeindliche Umstrukturierung der Geburtskultur geht uns alle etwas an. Weniger individuelle und kostengünstige Betreuung von Schwangeren, Gebärenden und jungen Müttern verursacht höhere Kosten für die Gesellschaft, höhere Säuglings- und Müttersterblichkeit. In diesem Artikel von Michaela Skott erfahren Sie, wieso die gesamte Gesellschaft betroffen ist.

Bitte setzen Sie sich für Ihre Kinder und Kindeskinder ein, indem Sie selbst aktiv werden!

Die frisch gegründete Elterninitiative Hebammenunterstützung.de setzt sich für den Erhalt des Hebammenberufs ein und bündelt Aktionen und Informationen.
Zum Mitmachen: http://www.hebammenunterstuetzung.de/mach-was/

Zur aktuellen Petition: https://www.change.org/de/Petitionen/lieber-herr-gröhe-retten-sie-unsere-hebammen

Hintergrundinformation:
Was den aktuellen Protest auslöste: Artikel des Deutschen Hebammenverbandes
Was Geburt als Geschäft für Frauen und unsere Gesellschaft bedeutet: Artikel von jungewelt.de
Aktuelle Meldungen des Deutschen Hebammenverbandes
Warum es alle betrifft, nicht nur Familien: Artikel von happybirthday-deutschland.de

Bücher:
"Birth Matters - Die Kraft der Geburt" von Ina May Gaskin ,
"Im Einklang mit der Natur. Neue Ansätze der sanften Geburt" von Michel Odent
"Sichere Geburt. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Geschichte der Geburtshilfe" von Marjorie Tew

Werdet aktiv!

Der Internationale Frauentag am 8. März ist der beste Moment, um damit anzufangen!

 

Text von Laura Dingel, Mutter zweier Kinder 

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